Der junge Schiller als Karlsschüler
Jürgen Klose
Karlsschüler und Regimentsmedikus
Am 16. Januar 1773 verlässt der dreizehnjährige Friedrich Schiller sein Elternhaus. Acht Jahre wird er auf der sich zur Herzoglichen Militärakademie mausernden Pflanzschule zubringen, zunächst auf der Solitude, dann in einer eigens errichteten Schulanlage in Stuttgart. (Eigentlicher Karlsschüler war Schiller nie, zur Hohen Karlsschule wurde die Einrichtung durch kaiserliches Dekret erst 1781) Das Tages-Reglement war streng, ja drangsalierend, wie bei der militärischen Einrichtung der Schule nicht anders zu erwarten. Und auch die Anzugsordnung war bis ins Letzte reglementiert. Schillers engster Freund in jener Zeit, Georg Friedrich Scharffenstein unterrichtete als alter Mann die Nachwelt von seines pubertierenden Kameraden Erscheinung in solcherart Umgebung.
Der junge Friedrich Schiller
"Der Anzug war gewöhnlich so: Die Offizierssöhne hatten hellblaue kommisstüchene Westen mit Ärmeln; der Kragen- und Ärmelaufschlag war von schwarzem Plüsch; die Hosen waren von weißem Tuch, der Kopfputz war ein kleiner Hut, zwei Papilloten an jeder Seite, ohne Puder. Alles trug sehr lange falsche Zöpfe nach einem bestimmten Maße. Der Paradeanzug hatte mehrere Gradationen, und zum größten Putz trug alles Uniformen. Es gab z. B. eine Parade von geringerem Grade, wo zwar der gewöhnliche Anzug stattfand, aber mir vier Papilloten an jeder Seite in zwei Etagen und Puder. Da sah mein Schiller komisch aus: Er war für sein Alter lang, hatte Beine beinahe durchaus mit den Schenkeln von einem Kaliber; sehr langhalsig, blass mit kleinen rot umkränzten Augen. Er war einer der unreinlichen Bursche und, wie der Oberaufseher Nies brummte, ein Schweinpelz. Und nun dieser ungeleckte Kopf voll Papilloten mit einem enormen Zopf! Ich könnt‘ ihn noch malen."
Dem Herzog war an planvoller Züchtung einer ihm ergebenen Landeselite gelegen. Drill und Kostümierung reichten hierfür freilich nicht aus - die Militärakademie verfügte über einen beispielhaft qualifizierten Lehrkörper. Der Kontrolle des pädagogischen Prozesses dienten auch den heutigen Leser nicht wenig wie Denunziationen anmutende gegenseitige Beurteilungen der Zöglinge. Der fünfzehnjährige Schiller übte an dieser allerdings durch recht enge Vorgaben eingeschränkten Prozedur seine ihm später höchstdienliche Fähigkeit zu systematischer Menschenbeurteilung. Das Resümee, das er aus der Beobachtung seines Freundes Scharffenstein und drei anderer Schüler zog, lässt in Ansätzen den mit Gegensätzen operierenden Analytiker und dramatischen Charakterbildner ahnen.
Dem Herzog war an planvoller Züchtung einer ihm ergebenen Landeselite gelegen. Drill und Kostümierung reichten hierfür freilich nicht aus - die Militärakademie verfügte über einen beispielhaft qualifizierten Lehrkörper. Der Kontrolle des pädagogischen Prozesses dienten auch den heutigen Leser nicht wenig wie Denunziationen anmutende gegenseitige Beurteilungen der Zöglinge. Der fünfzehnjährige Schiller übte an dieser allerdings durch recht enge Vorgaben eingeschränkten Prozedur seine ihm später höchstdienliche Fähigkeit zu systematischer Menschenbeurteilung. Das Resümee, das er aus der Beobachtung seines Freundes Scharffenstein und drei anderer Schüler zog, lässt in Ansätzen den mit Gegensätzen operierenden Analytiker und dramatischen Charakterbildner ahnen.
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Entnommen aus dem Buch „Kennst Du Friedrich Schiller?", Vorgestellt von Jürgen Klose, aus der Reihe Bertuchs Weltliteratur für junge Leser (LINK setzen), Weimar 2009
Vorschaubild: Friedrich Schiller, gemeinfrei
Der junge Friedrich Schiller, gemeinfrei
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